Den Muezzin verschlafen

Im Türkeiurlaub kennt man es: morgens sehr früh krächzt ein Tonbandgerät und es erschallt: “Allaaaaah” und einige andere unverständliche Worte. Aufregend und neu und irgendwie auch exotisch.

In unserer Kreuzberger WG war eine andere Lärmbelästigung Thema: nebenan hatten wir eine Kirche und einige Mitbewohnende beklagten sich über die Lautstärke. Man könne ja mal schauen, wie laut die Kirche sei, schlug eine Mitbewohnende vor. Eine Lärmmessung, und wenn es zu viele Dezibel seien, dann müsse die Kirche einlenken und das Geläut leiser durchführen.

Eine übertriebene Religionskritik. Religionen nützen und schaden. Wenn eine Religion eine Institution bei sich hat, dann ist sie herrschend, kontrolliert ihre Mitglieder und reproduziert zumeist patriarchale Verhältnisse. Auf der anderen Seite schaffen Religionen Ordnung und geben ihren Mitgliedern Halt in schweren Zeiten. Wer weiß, dass Gott einen stets auf seinen Wegen beschützt, fürchtet sich nicht und schreitet voran, auch wenn der Sandsturm hart brennt.

Ich habe daher nichts gegen den Muezzin, ich wünsche mir sogar, dass die Muslime ihre Gotteshäuser in die Stadtzentren bauen dürfen und nicht, wie so oft in Deutschland, auf Parkplätze und neben Schnellstraßen. Gleiches Recht für alle.

Durch das durch Adolf Hitler zustande gekommene Konkordat ist die katholische Kirche in Deutschland im Vorteil und das wird sich auch nicht ändern, denn es wird kein neues Konkordat geben, und so wird aus dem Hitler-Konkordat auch nicht ausgetreten. Es regelt unter anderem den Einzug der Kirchensteuer, die Bezahlung der Bischöfe durch Steuergelder und die Existenz chistlicher Kindergärten und Schulen. Ich bin froh, aus dem katholischen Gottesstaat NRW weggezogen zu sein, in dem einige schon seit 50 Jahren gegen christliche Kindergärten kämpfen und sich seitdem nichts Substanzielles geändert hat.

Hier bei uns im Norden regiert Luther, der seine eigenen Probleme hatte, vor allem mit den Juden.

So will ich, ganz im Sinne der Ringparabel, an den Religionen nicht rütteln, denn sie sind alle eines. Ich akzeptiere, dass Menschen hier ihr Heil suchen, so wie andere ihr Heil in Drogen, im Yoga oder in der Psychotherapie suchen. Gottlosigkeit schafft ihre ganz eigenen Probleme, die Menschen vertrauen nicht, sie werden gleichsam schizophren und füllen die Leere in ihrer Seele mit anderen, nicht immer besseren Inhalten.

Den Muezzin hört man übrigens nach kurzer Zeit nicht mehr. Man kann ihn schlicht vergessen. Schon nach drei Tagen habe ich ihn in der Türkei überschlafen – und so soll es auch den Menschen in Köln gehen. Es ist nur ein Tonband. Allaaaaahhh… *krk krk* Tonband aus.